VfB Stuttgart gegen FC St. Pauli – Vorschau: Kriselnder VfB hofft auf Befreiungsschlag

VfB Stuttgart gegen FC St. Pauli – Vorschau: Kriselnder VfB hofft auf Befreiungsschlag

Es ist ein schwieriger Start in die Bundesliga-Saison für den VfB Stuttgart. Unter Trainer Sebastian Hoeneß erlebt die Mannschaft derzeit die schlechteste Auftaktphase seit Jahren. Die Erwartungen vor Saisonbeginn waren hoch – nach einer stabilen Rückrunde im Vorjahr, dem Verbleib wichtiger Leistungsträger und einer vielversprechenden Vorbereitung hofften viele Fans und Beobachter auf einen Durchbruch. Doch bislang bleibt der VfB hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Die Partie gegen den FC St. Pauli wird nun zu einem richtungsweisenden Spiel. Ein Sieg könnte die Wende einleiten, eine weitere Niederlage den Klub in eine noch tiefere Krise stürzen.

Nach den ersten Spieltagen herrscht im Umfeld des Vereins eine Mischung aus Enttäuschung, Sorge und Frustration. Die Mannschaft wirkt verunsichert, strukturelle Probleme sind offensichtlich, und die Harmonie scheint gestört. Dabei sind es nicht nur die Ergebnisse, die Sorgen bereiten, sondern auch die Art und Weise, wie diese zustande kamen. Oft fehlt die Durchschlagskraft im letzten Drittel, defensiv schleichen sich immer wieder individuelle Fehler ein, und auch die Körpersprache einiger Spieler lässt Fragen offen. Der VfB wirkt in vielen Situationen nicht wie eine geschlossene Einheit, sondern wie ein Kollektiv auf der Suche nach Klarheit und Richtung.

Sebastian Hoeneß, der im vergangenen Jahr noch als der große Stabilitätsfaktor gefeiert wurde, steht inzwischen zunehmend unter Druck. Seine Entscheidungen in der Aufstellung, seine taktische Herangehensweise und vor allem seine Kommunikation mit dem Team werden immer stärker hinterfragt. Zwar betont der Trainer in Interviews regelmäßig, dass man „hart arbeite“ und „eine klare Linie verfolge“, doch auf dem Platz ist davon aktuell wenig zu sehen. Die Automatismen greifen nicht, das Selbstverständnis fehlt, und auch die Reaktionen auf Rückschläge wirken zaghaft. Es ist deutlich spürbar, dass der Trainerstab nun gefordert ist, konkrete Lösungen zu liefern – nicht nur im Training, sondern vor allem in der Umsetzung am Spieltag.

Hinzu kommt, dass auch auf der Führungsebene Unruhe herrscht. Diskrepanzen zwischen sportlicher Leitung und Trainerteam, wie sie zuletzt in der Causa Nick Woltemade durchgesickert sind, werfen Fragen nach der internen Kommunikation auf. Der Transfer des jungen Offensivspielers, der ohne hoeneßsches Einverständnis abgewickelt worden sein soll, hat offenbar Spuren hinterlassen. Spieler wirken irritiert, das Vertrauen scheint angekratzt. Ein funktionierendes Umfeld sieht anders aus – gerade in einer Phase, in der Geschlossenheit und Klarheit so wichtig wären.

Gegen den FC St. Pauli trifft der VfB nun auf einen Gegner, der seinerseits mit Ambitionen und breiter Brust anreist. Die Hamburger, die den Aufstieg im vergangenen Jahr nur knapp verpassten, zeigen sich bislang stabil, strukturiert und spielfreudig. Ihre Spielweise basiert auf einem hohen Pressing, mutigem Offensivspiel und einem starken Kollektiv. Trainer Fabian Hürzeler hat es geschafft, eine klare Identität zu formen, die auch in der Bundesliga funktioniert. Für den VfB wird es darauf ankommen, nicht nur individuell besser zu agieren, sondern als Mannschaft zu bestehen – gegen einen Gegner, der jeden Fehler konsequent bestrafen kann.

Die Frage wird sein, ob Hoeneß seine Elf so einstellen kann, dass sie den Kampf annimmt und endlich wieder mit Überzeugung auftritt. Klar ist: Einzelaktionen werden gegen eine gut organisierte Pauli-Mannschaft nicht reichen. Vielmehr braucht es eine taktisch disziplinierte Leistung, eine geschlossene Defensivarbeit und eine bessere Chancenverwertung. Die Offensivabteilung um Guirassy, Millot und Silas steht in der Pflicht, wieder mehr Torgefahr auszustrahlen und effektiver zu agieren. Zuletzt fehlte es oft an Präzision im Abschluss und an Mut im letzten Drittel.

In der Defensive wiederum ist Stabilität gefragt. Die Abwehr zeigte sich in den letzten Spielen anfällig, vor allem bei Standardsituationen und schnellen Umschaltmomenten. Die Kommunikation zwischen Innenverteidigern und Torwart wirkte oft unsicher, das Stellungsspiel fehleranfällig. Hoeneß muss möglicherweise personell reagieren, eventuell mit einer Umstellung auf eine Dreierkette oder einer defensiveren Mittelfeldbesetzung. Es wird entscheidend sein, die Balance zwischen Absicherung und Offensive zu finden, ohne dabei die Kreativität zu verlieren.

Neben den taktischen Aspekten wird auch die mentale Verfassung eine große Rolle spielen. Der Druck ist groß, die Erwartungen hoch, die Geduld im Umfeld begrenzt. Spieler wie Kapitän Anton, der zuletzt selbst nicht fehlerfrei agierte, sind nun besonders gefragt – als Führungspersönlichkeiten, die das Team aufrichten und anleiten. Auch die Rolle der jungen Talente wird spannend sein: Können sie dem Druck standhalten und positive Impulse setzen, oder geraten sie unter dem Erwartungsdruck ins Straucheln?

Die Fans im Stadion werden genau beobachten, wie sich ihre Mannschaft präsentiert. In den letzten Spielen gab es bereits erste Pfiffe, ein Zeichen wachsender Unzufriedenheit. Doch das Stuttgarter Publikum ist auch bekannt dafür, sein Team mit aller Kraft zu unterstützen – wenn es erkennt, dass Einsatz, Leidenschaft und Wille stimmen. Der Funke muss überspringen, und das geht nur mit einer Leistung, die diesen Namen verdient.

Abseits des Rasens arbeitet der Klub daran, wieder Ruhe und Struktur in die Abläufe zu bringen. Es wird Gespräche zwischen Trainerteam, sportlicher Leitung und Mannschaft geben müssen – offen, ehrlich und lösungsorientiert. Auch die Kommunikation nach außen sollte klarer werden. Zu viele widersprüchliche Aussagen, zu viele ungeklärte Prozesse haben zuletzt für Unsicherheit gesorgt. Ein einheitliches Auftreten, ein klares Bekenntnis zur Strategie – das ist es, was der VfB jetzt braucht.

Das Spiel gegen den FC St. Pauli wird so zu einem Prüfstein in mehrfacher Hinsicht: sportlich, emotional, strukturell. Es ist ein Moment, der über den weiteren Verlauf der Saison mitentscheiden kann. Ein Sieg könnte wie ein Befreiungsschlag wirken, neues Selbstvertrauen freisetzen und den inneren Zusammenhalt stärken. Eine weitere Niederlage hingegen könnte die Spannungen vertiefen, das Vertrauen weiter erschüttern und die Trainerfrage endgültig in den Mittelpunkt rücken.

Stuttgart steht am Scheideweg – mal wieder, möchte man sagen. Doch gerade jetzt, in einer Phase der Unsicherheit, liegt auch eine Chance. Die Chance, sich als Mannschaft zu finden, sich zurückzukämpfen, gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Dafür braucht es keinen perfekten Fußball, sondern Charakter, Mut und Zusammenhalt. Es liegt an Sebastian Hoeneß und seinem Team, diese Antwort zu geben – auf dem Platz, nicht auf der Pressekonferenz. Denn das Spiel gegen St. Pauli ist mehr als nur ein weiteres Ligaspiel. Es ist eine Standortbestimmung. Und vielleicht der Anfang von etwas Neuem.

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