„Rummenigge über Toni Kroos: ‚Wir zahlen keine 10 Millionen Euro im Jahr für einen Spieler, der nicht Weltklasse ist‘ – Die Entscheidung, die Kroos zu Real Madrid führte“
Karl-Heinz Rummenigge, der damalige Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, sorgte einst mit einer bemerkenswert ehrlichen Aussage für Schlagzeilen: „Wir zahlen keine 10 Millionen Euro im Jahr für einen Spieler, der nicht Weltklasse ist.“ Diese Worte richteten sich an keinen Geringeren als Toni Kroos, einen der talentiertesten Mittelfeldspieler seiner Generation. Doch hinter diesem Satz verbirgt sich eine Geschichte voller Missverständnisse, verpasster Chancen und einer Entscheidung, die den Lauf der europäischen Fußballgeschichte verändern sollte.
Im Sommer 2014 befand sich Bayern München auf dem Höhepunkt seiner Macht. Nach dem historischen Triple im Jahr 2013 unter Jupp Heynckes war der Klub unter Pep Guardiola zu einem der taktisch anspruchsvollsten Teams Europas geworden. Toni Kroos spielte dabei eine zentrale Rolle – präzise Pässe, taktische Intelligenz und eine Ruhe am Ball, die nur wenige besaßen. Dennoch war seine Zukunft ungewiss. Sein Vertrag lief im Sommer 2015 aus, und die Gespräche über eine Verlängerung zogen sich hin. Kroos wollte eine Gehaltserhöhung, die seiner Leistung und seinem wachsenden Einfluss im Team gerecht wurde. Doch die Vereinsführung zögerte.
Rummenigge und Sportdirektor Matthias Sammer sahen in Kroos zwar einen wichtigen Spieler, waren aber nicht bereit, die von ihm geforderte Gehaltssumme zu zahlen. Zu jener Zeit hatte Bayern München gerade Mario Götze für rund 10 Millionen Euro Jahresgehalt verpflichtet – eine Zahl, die Kroos als Maßstab sah. Er forderte Gleichbehandlung, schließlich hatte er entscheidenden Anteil am Erfolg der Mannschaft. Doch Rummenigge machte deutlich, dass Bayern nicht bereit sei, diese Summe für einen Spieler zu zahlen, den man intern nicht als „Weltklasse“ einstufte. Diese Einschätzung sollte sich später als eine der größten Fehleinschätzungen in der jüngeren Vereinsgeschichte erweisen.
Pep Guardiola hingegen war von Kroos überzeugt. Der Katalane schätzte seine taktische Disziplin, seine Passgenauigkeit und seine Fähigkeit, das Spiel zu lenken. Es wird berichtet, dass Guardiola sich intern für Kroos stark machte und ihn unbedingt halten wollte. Doch der Trainer hatte im Verein nicht das letzte Wort in Vertragsfragen. Trotz seiner Bemühungen kam es zu keiner Einigung zwischen Spieler und Klub. Bayern bot Kroos angeblich ein Jahresgehalt von rund 6 bis 7 Millionen Euro an – deutlich weniger, als er verlangte.
Währenddessen beobachteten andere europäische Spitzenklubs die Situation aufmerksam. Besonders der FC Barcelona zeigte zunächst Interesse. Pep Guardiola soll Kroos’ Berater sogar geraten haben, Gespräche mit den Katalanen zu führen, falls Bayern keine Einigung erzielen würde. Doch Barcelona entschied sich letztlich für Ivan Rakitić, der nach einer starken Saison beim FC Sevilla als günstigere Option galt. Damit war der Weg frei für Real Madrid.
Florentino Pérez, der Präsident der „Königlichen“, vertraute dem Urteil seines damaligen Trainers Carlo Ancelotti, der Kroos unbedingt verpflichten wollte. Ancelotti erkannte in ihm den idealen Baustein für sein Mittelfeld – einen Spieler, der das Tempo kontrollieren, das Spiel diktieren und defensiv wie offensiv Stabilität verleihen konnte. Real Madrid zahlte schließlich rund 25 Millionen Euro an Bayern München – ein Schnäppchenpreis, wie sich später herausstellen sollte.
Im Sommer 2014 präsentierte Real Madrid Toni Kroos gemeinsam mit dem kolumbianischen Star James Rodríguez, der nach einer herausragenden Weltmeisterschaft in Brasilien verpflichtet worden war. Während James bei seiner Vorstellung im Santiago Bernabéu von über 45.000 Fans bejubelt wurde, kamen zu Kroos’ Präsentation lediglich rund 8.000 Zuschauer. Viele in Spanien wussten damals noch nicht, welch außergewöhnlicher Spieler sie willkommen hießen. Doch schon bald sollte Kroos alle Zweifel ausräumen.
In Madrid entwickelte sich der gebürtige Greifswalder zu einem der wichtigsten Spieler des Teams. Gemeinsam mit Luka Modrić und Casemiro bildete er eines der besten Mittelfelder der Fußballgeschichte. Unter Zinedine Zidane gewann Kroos mit Real Madrid mehrfach die Champions League, wurde spanischer Meister und avancierte zum unumstrittenen Regisseur des Spiels. Seine präzisen Pässe, seine Übersicht und seine Ruhe am Ball machten ihn zu einem Symbol der Effektivität und Eleganz im modernen Fußball.
Für viele Bayern-Fans bleibt Kroos’ Abgang bis heute ein schmerzhaftes Thema. Manch einer bezeichnet ihn als den „verlorenen Sohn“, den man nie hätte ziehen lassen dürfen. Rummenigges damalige Einschätzung, Kroos sei „nicht Weltklasse“, wird heute häufig zitiert – meist als Beispiel dafür, wie selbst erfahrene Funktionäre die Entwicklung eines Spielers unterschätzen können. Kroos selbst äußerte sich Jahre später diplomatisch, aber mit einem leisen Unterton von Enttäuschung. Er sagte, er habe das Gefühl gehabt, „nicht wirklich gewollt“ zu sein, und dass der Wechsel nach Madrid rückblickend „die beste Entscheidung“ seiner Karriere gewesen sei.
Während Kroos in Spanien Titel um Titel sammelte, suchte Bayern nach einem gleichwertigen Ersatz. Zwar verfügte der Klub weiterhin über ein starkes Mittelfeld, doch einen Spieler mit Kroos’ Spielverständnis und Präzision fand man nie wirklich. Pep Guardiola formte das Team erfolgreich um, aber der Abgang von Kroos blieb ein tiefer Einschnitt. Viele Experten sind sich einig, dass Bayern mit ihm an Bord vielleicht noch dominanter hätte werden können.
Heute, mehr als ein Jahrzehnt später, gilt Toni Kroos als einer der besten deutschen Fußballer aller Zeiten. Seine Karriere bei Real Madrid hat Legendenstatus erreicht, und selbst seine größten Kritiker mussten anerkennen, dass er Weltklasse ist – genau das, was Rummenigge ihm einst abgesprochen hatte.
Ironischerweise ist Kroos bis heute für seine Bescheidenheit und Professionalität bekannt. Er spricht selten über Geld, noch seltener über vergangene Konflikte. Doch seine Karriere selbst ist Antwort genug. Der Spieler, dem man in München einst die 10 Millionen Euro im Jahr nicht zahlen wollte, wurde zu einem der erfolgreichsten deutschen Fußballer der Geschichte – ein Symbol für Beständigkeit, Qualität und unerschütterliche Zielstrebigkeit.
Die Geschichte von Toni Kroos und dem FC Bayern München bleibt ein Lehrstück über Wertschätzung, Fehleinschätzungen und die Kunst, den richtigen Moment zu erkennen. Für Bayern war es eine schmerzliche Erinnerung daran, dass wahre Weltklasse manchmal erst dann sichtbar wird, wenn man sie verloren hat.
